Islam-Brief an den Papst

berraksu

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Nach der harschen Kritik an der Regensburger Rede von Papst Benedikt
XVI. melden sich erstmals moderate muslimische Stimmen von Gewicht zu
Wort. Mit einem gemeinsames Schreiben wollen staatsnahe Religionsführern
auf die „Irrtümer“ von Benedikt XVI. hinweisen und den Konflikt entschärfen.
Gleichzeitig erhält der Papst eine Lektion in Sachen Islam.


KAIRO. Der Brief von 38 moderaten Islam-Führern an Papst Benedikt XVI.
geht auf eine Initiative des jordanischen Königshauses zurück. „Der Brief
wurde am Sonntag vom Königshof in Jordanien dem päpstlichen Vertreter in
Amman übergeben“, sagte der Redaktionsdirektor des „Islamica Magazine“ in
Amman, Mohammed Khan, dem Handelsblatt. Die Zeitschrift, deren Hauptsitz
in Los Angeles ist, hatte den Text im Internet veröffentlicht, arabische
Zeitungen griffen den Brief nur verhalten auf.

Mit dem Brief haben sich in der Debatte um die Islam-Passagen der
Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. erstmals moderate muslimische
Stimmen von Gewicht zu Wort gemeldet. In höflichem Ton nehmen die Islam-
Führer das Bedauern des Papstes über die Missverständnisse an. Gleichzeitig
erteilen sie dem Oberhaupt der katholischen Kirche eine Lektion in Sachen
Islam und dessen Positionen zu Zwang, Gewalt und Vernunft. Die Gelehrten
und zumeist staatlichen Religionsvertreter sprechen von einem „Dialog der
Herzen“ und unterstreichen die Verantwortung der Religionen für Frieden.


Unterzeichnet haben unter anderem die Großmuftis (staatlich eingesetzte
oberste Religionsführer) von Ägypten, Syrien, Russland, Bosnien, dem Kosovo,
der Türkei, Oman und Usbekistan sowie der schiitische Kleriker in Iran,
Muhammed Ali Tashkiri, sowie Islam-Gelehrte in den USA und in
Großbritannien. Treibende Kraft hinter dem Text war der Berater von König
Abdallah II. von Jordanien, Prinz Ghazi bin Mohammed, sowie Scheich Habib
Ali vom Taba Institut in den Vereinten Arabischen Emiraten. Es habe etwa
zwei Wochen gedauert, den Text zu formulieren und zu versenden sowie
Anmerkungen einzuarbeiten, sagte Mohammed Khan, der nicht genauer
erläutern will, welche Rolle das „Islamica Magazine“ dabei spielte.

Die Publikation beschreibt den offenen Brief, den Vertreter von acht
islamischen Denkrichtungen, darunter ein Schiit und eine Frau,
unterzeichneten, als einen „einmaligen Vorgang in der Geschichte
interreligiöser Beziehungen“. In der Tat wurde in der Vergangenheit von
christlicher Seite kritisiert, dass Islam-Vertreter selten die Initiative für einen
Dialog ergriffen.

Die muslimischen Kleriker und Experten sind wohl die richtigen
Ansprechpartner für eine gelehrte Diskussion über theologische Fragen. Doch
vertreten sie nur Teile der Muslime und werden die Extremisten und
Populisten, die jeden vermeintlichen Angriff auf den Islam ausschlachten,
nicht erreichen. Auch wird die Masse der Bevölkerungen, die zudem den
staatlichen religiösen Instanzen teilweise misstrauen, dem Niveau der Debatte
nicht folgen können. Beweis dafür ist, dass der offene Brief in den Medien der
islamischen Welt bislang nur selten und kurz aufgegriffen wurde.


Der Inhalt ist komplex, denn der Brief will mit Hilfe von Zitaten aus Koran und
islamischer Überlieferung einige „Irrtümer“ und „Fehler“ in der Darlegung des
Papstes zum Islam aufzeigen. So bedeute „Dschihad“ vor allem „Streben im
Sinne Gottes“ und sei nicht automatisch mit „Krieg“ zu übersetzen. Der
Einsatz von Gewalt sei allerdings nicht ausgeschlossen.

Den vom Papst zitierten Denker Ibn Hazim nennen die Unterzeichner
eine „marginale Figur“, der keine der heutigen Rechtsschulen folge. Er hatte
die Transzendenz Gottes als so übermächtig eingestuft, dass der Gläubige
selbst teuflischen Anordnungen dieses Gottes gehorsam folgen müsse. Sie
belegen weiter mit Koranzitaten, dass Vernunft im Islam sehr wohl eine
entscheidende Rolle spiele.

Der offene Brief zeichnet sich durch einen respektvollen und konzilianten Ton
aus. Ausdrücklich versichern die Unterzeichner, dass sie den Wunsch des
Papstes nach „ehrlichem und freimütigem Dialog“ teilen. Im Schlusssatz wird
der Wunsch geäußert, dass „wir alle die Fehler der Vergangenheit vermeiden“.
Damit haben die Unterzeichner in der zunehmend aggressiven und
respektlosen Auseinandersetzung zwischen Okzident und Orient einen neuen
Ton angeschlagen.
 
Üst